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Digitalisierung der Bildung

Welche Änderungen sind es genau, die als Digitalisierung der Gesellschaft zu begreifen sind? Welchen Anteil haben daran Bildung, Schule und Unterricht? Die bildungssoziologische Forschung führt die Erkenntnisse zweier vorangehender Projekte (Beobachtungen des Bildungssystems, Soziologie des Lernens) zusammen, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

In einer sozio-historischen Perspektive sind vor allem die Effekte des Medienwandels von Schrift und Buchdruck hin zu einer Datafizierung von Kommunikation und Organisation, von Unterricht und Schule zu untersuchen und in ihren Folgen zu bewerten. Das Forschungsprogramm stützt sich sekundäranalytisch auf Daten, die zu nationalen, europäischen und globalen Digitalisierungsstrategien sowie zu Initiativen aus der Schulentwicklung vorliegen.

Die Untersuchungen sind thematisch in die drei Schwerpunkte «Medien», «Kulturproduktion» und «Formen der Kommunikation» unterteilt.


Medien

Technologien wie Schrift, Druck, Elektronik oder Computer erfordern passende Kompetenzen, die aber für sich genommen offenlassen, wie eine Teilhabe an den technologisch ermöglichten Kommunikationschancen gelingt. Für die sozio-kulturelle Adaption des Buchdrucks beispielsweise brauchte es nach seiner Erfindung bis zur Einrichtung einer Lese-, Schreib- und Rechenschulung für alle Bevölkerungsschichten rund 300 Jahre. Für die computergestützte Digitalisierung sind zentrale technologische Kompetenzen längst definiert. Aber noch immer ist offen, welche Transformationen von Unterricht, Schule und weiteren Bildungsformaten den kulturellen Herausforderungen unter digital veränderten Kommunikationsbedingungen gerecht werden können.


Kulturproduktion

Im Feld des Produktionsgeschehens der Gesellschaft ist der Begriff der Digitalisierung am deutlichsten fassbar. Nahezu jeder komplexe Produktionsprozess enthält bereits jetzt oder in absehbarer Zukunft algorithmische Prozeduren. Um nicht dem Irrtum aufzusitzen, allein die Wirtschaft produziere und folglich sei Digitalisierung hauptsächlich in profitorientierten Organisationen zu suchen, unterscheidet das Forschungsprogramm zwischen Güterproduktionen, Leistungsproduktionen und Kulturproduktionen. Für das Bildungssystem ist der letztgenannte Fall die wichtigste Orientierungsgrösse, denn in ihm entscheiden sich die individuellen Chancen zur Teilnahme an gesellschaftlicher Kommunikation. Entwickelt sich im Bereich der Kulturproduktionen eine Kulturform, die mit Fug und Recht als «digital» zu bezeichnen wäre? Und falls ja: Welche Konsequenzen hätte das für den Bildungsbegriff, den Bildungsauftrag und für die Institutionen des Bildungssystems (Organisationen und Professionen)? Wie verhalten sich die digitalen Kulturformate zu den klassischen Bildungsgrössen wie Individualität, Diversität, Heterogenität, Migration, Geschlecht, Schichtzugehörigkeit, Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit? Werden diese Grössen neu definiert, und wenn ja, in welche Richtungen?


Formen der Kommunikation

Durch Computerprogramme und Interfaces werden viele Formen technisch codiert, die für Kommunikation unentbehrlich sind: Schrift, Sprache, Bild, Ton und Symbole. Solche Formen stehen auch im Zentrum der Bildung. Es gibt strenge Formen (mathematische Formeln, rechtliche Verfahren, technische Prozeduren, …) und spielerische Formen (Kunst, Spiel, Unterhaltung, …). Was Informatisierung, Virtualisierung, Computerisierung, Mediatisierung, Digitalisierung, Datafizierung, Algorithmisierung und Quantifizierung leisten, ist, den laufenden Formbedarf der Kommunikation mit einem potenziell unendlichen Repertoire von möglichen Formen zu versorgen – und zugleich zu überfluten. Auf gesellschaftlicher Ebene sind bereits deutlich neue Institutionen zu erkennen, die auf dieses Problem reagieren: Datenbanken, Suchmaschinen, sogenannte «Plattformen» und jüngst explosiv eine künstliche Intelligenz, die klassische Kommunikationsleistungen zu überbieten und zu ersetzen verspricht. Was die technisch codierte Formenexplosion für das Individuum und seine Bildungschancen bedeutet, ist bislang noch keiner zuverlässigen Diagnose unterzogen worden. Der Forschungsbedarf ist entsprechend hoch.


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