Seit Herbst 2021 gibt es das neue Studium «Kindergarten-Unterstufe» (KGU), welches für den Unterricht in Kindergarten und Unterstufe (1. – 3. Klasse) befähigt. Wir haben KGU-Studiengangsleiterin Prof. Karin Fasseing Heim zum Abschied des Studiengangs Vorschulstufe und zur Zukunft der Kindergarten-Lehrpersonen-Ausbildung befragt.
«Wir haben die Verantwortung für eine würdevolle, qualitätsvolle, kindgerechte und umfassende Bildung.»
Prof. Karin Fasseing übernahm 2017 die Leitung des Studiengangs Vorschulstufe. Zu dieser Zeit existierte der Studiengang schon 14 Jahre und somit seit dem ersten Tag der PH Thurgau. «In der Gründer:innenzeit steht die Transformation der seminaristischen Ausbildung am Kindergärtnerinnenseminar Amriswil (KSA) in das neue Hochschulformat im Vordergrund. Neue Elemente sind damals die Fachdidaktiken, das Quartalspraktikum, das Mentorat, das Portfolio, die gemeinsamen Lehrveranstaltungen mit der Primarstufe und die Möglichkeit empirische Diplomarbeiten zu verfassen», erläutert Karin Fasseing die Anfänge der Ausbildung. Dabei verweist sie zugleich auf die grössten Herausforderungen der ersten Jahre. So sind die Wissenschaftsfundierung in der Lehre sowie die gemeinsamen Module der Studiengänge Vorschulstufe und Primarstufe zu jener Zeit eine Herausforderung für die Dozierenden, ebenso der Erhalt der Praxisnähe. «Eine solide Kontinuität wird vorerst durch die Zusammenarbeit mit den Praxislehrpersonen aus den Seminaren gewährleistet», führt Fasseing an.
Ausrichtung an Empirie und Praxis
Nach den Gründungsjahren wurde in den folgenden Jahren die Kindergarten- und Fachdidaktik ausdifferenziert und auf empirische Befunde abgestützt. Sichtbar wurde dies beispielsweise durch die Themen Spiel- und Lernbegleitung, Elternzusammenarbeit im Sinne einer Koalition für die Bildung der Kinder, Individualisieren und Differenzieren als fester Bestand des Unterrichts und das Lancieren des Profils Bildung 4-8jähriger Kinder. Dabei wurde diese Kindsorientierung zunehmend mit Forschungsergebnissen aus dem Bereich Frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) begründet. Es werden eigene Forschungsprojekte zum Übergang von der Familie in den Kindergarten realisiert, sowie Befunde zur professionellen Beziehungsgestaltung, zu musikalischen, bewegten, sprachlichen und mathematischen Bildungsprozessen für die Weiterentwicklung des Studienangebots herangezogen.
Der Beruf der Kindergartenlehrperson im Wandel
Nicht nur die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung ist einem stetigen Wandel unterworfen. Karin Fasseing verweist auf den Forschungsbericht | Nr. 17/2018 hin. «Auch die Bedingungen vor Ort in den Klassen ändern sich stetig. So wurde zwischen 2012 und 2015 im Kanton Thurgau der Stichtag für den Eintritt in den Kindergarten sukzessive vom 30. April auf den 31. Juli verschoben. Dadurch wird die Zusammensetzung der Kindergartenklassen hinsichtlich des Alters und der Voraussetzungen der Kinder markant heterogener», führt Fasseing als Beispiel für immer neue Aufgaben und Herausforderungen von Kindergartenlehrpersonen an.
Neuer Studiengang mit neuen Möglichkeiten
Mit der Konzeption des neuen Studiengangs «Kindergarten-Unterstufe» konnte diesen stetigen Veränderungen Rechnung getragen werden. Der Studiengang befähigt zur Tätigkeit in Kindergarten und Unterstufe (1.-3. Klasse). Seit 2021 trägt Karin Fasseing die Verantwortung für das neue Studium und konzipierte diesen massgeblich mit. Dabei verweist sie auf die 20 Jahre Erfahrung der PH Thurgau in Kombination mit den neuesten Erkenntnissen aus der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Ausgangspunkt des neuen Studiengangs sind die Fragen: Wie lernen Kinder im Alter von 4 bis 9 Jahren? Wie sieht eine innovative Schule der Zukunft in einer demokratischen Gesellschaft aus? Über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten und über welches Wissen müssen demnach Lehrpersonen künftig verfügen?
Hohe Ansprüche
Die KGU-Studierenden sollen die Kinder und ihre Familien verstehen wollen, selber zugänglich, nahbar und einfühlsam sein und zugleich über fachlich fundiertes Wissen und eine hohe Reflexionsfähigkeit verfügen. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, braucht es laut Karin Fasseing kohärente Studiencurricula. «Das Mentorat bezeichne ich gerne als Rückgrat des Studienangebots. Im Mentorat wird der Aufbau reflexiver Kompetenzen fokussiert», so Fasseing, die ebenfalls grossen Wert auf die Verknüpfung von erlebter Praxis, verstandener Theorie und aktueller Forschung legt.
Konkret bündeln die KGU-Module im Bereich der Bildungs- und Sozialwissenschaften mehrere Perspektiven (Pädagogik, Psychologie und Allgemeine Didaktik). Die fachdidaktische Ausbildung in den verschiedenen Fachbereichen wird durch Querschnittthemen verbunden. Die Bachelorarbeit wird im Rahmen einer studentischen Partizipation an einem Forschungsprojekt geschrieben und die Praktika in vier bis achtwöchigen Blockpraktika in Kindergarten, Basis- und Unterstufe absolviert. Fasseing führt aus: «In KGU sind alle Elemente eines fortschrittlichen Studiums vereint. Das Motto lautet Qualität und vertieftes Lernen an Stelle von Quantität».
Berufsintegriert ans Ziel
Auf eine erste Bilanz nach den ersten zwei Studienjahren KGU angesprochen, antwortet Fasseing mit «vielversprechend» und betont, dass sie die Studierenden als verantwortungsbewusste und engagierte Lernende mit den richtigen und manchmal auch unbequemen Fragen wahrnimmt. Um den Studierenden einen mit dem Studium verbundenen, begleiteten Berufseinstieg und einen noch höheren Praxisanteil zu ermöglichen, gibt es ab dem Herbstsemester 2023 die Berufsintegrierte Studienvariante (BiSVa), die einen vorzeitigen Berufseinstieg nach dem zweiten Studienjahr vorsieht. Dabei übernehmen zwei Studierende eine Klasse für zwei Jahre und absolvieren die Module des dritten Studienjahres auf vier Semester verteilt. In Zusammenarbeit mit den Schulen und der Weiterbildung geht es darum den Übergang vom Studium in den Beruf als berufsbiografische Transition gewinnbringend zu gestalten.
Sensible Begleitung in die Schullaufbahn
Für die Zukunft des Studiengangs Kindergarten-Unterstufe wünscht sich Karin Fasseing viele interessierte Studierende, die von der Art und Weise fasziniert sind, wie Kinder im Alter von vier bis neun Jahren der Welt begegnen und die für einige Bildungsjahre eine bedeutsame Rolle, ein sensitives Gegenüber, in diesen Kinderwelten spielen wollen. «Mit dem Studium sorgen wir für motivierte und engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die den Jüngsten in Kindergarten und Unterstufe einen erfolgreichen Start in ihre Schullaufbahn ermöglichen. Die Kinder sind uns anvertraut, wir haben die Verantwortung für eine würdevolle, qualitätsvolle, kindgerechte und umfassende Bildung», so Fasseing.