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12.12.15 Toleranz und Menschenrechte – zur Universalität der Menschenrechte
Eine höhere Aktualität wäre nicht möglich. Am Freitag 11. Dezember entschied das Bundesgericht in Sachen «Kopftuch» von St. Margrethen (SG). Das «Kopftuch» (nicht die Ganzkörperverschleierung) bildete die Ausgangslage von Oskar Dangls Ausführungen. Als religiöses Symbol ist es Gegenstand der Toleranzdebatten in aktuellen Diskussionen. Sichtbare religiöse Symbole können im öffentlichen Raum auf abweichende religiöse Praktiken verweisen. So stellt sich die Frage, wie die Gesellschaft und der Staat darauf reagieren sollen.
Selbst- und Fremdwahrnehmung
Das Kopftuch wird in unseren Breitenkreisen grossmehrheitlich als Zeichen der Unterdrückung der Frau und gegen die Menschenrechte gedeutet. Folgt man aktuellen Studien, so berichten viele muslimische Frauen, insbesondere Konvertitinnen, dass das Tragen des Kopftuches für sie ein Ausdruck religiöser Freiheit und ihrer Selbstbestimmung ist. Ihr Entscheid sei keine Ablehnung der westlichen Werte und der Demokratie. So stehen Fremd- und Selbstwahrnehmungen in Widerspruch und beide Deutungen beziehen sich auf die Menschenrechte. Die einen wollen das Kopftuch aufgrund der Menschenrechte verbieten und die anderen auf der Basis ebendieser Menschenrechte anziehen. Allein der Bezug auf «Toleranz» verspricht keine Lösung dieses Problems, weil sie aus ihrer Geschichte eine Verteidigung des Individuums gegen staatliche Übergriffe ist. Folgte man Kant oder Goethe, dann wäre Toleranz zu wenig, es bräuchte Anerkennung.
Frage nach dem «Toleranzpotenzial»
Im Verlauf seiner Ausführungen fragte Oskar Dangl nach dem «Toleranzpotenzial» von Religionen. Als Bibelwissenschaftler beschäftigte er sich in den Referaten mit dem Neuen Testament und der christlichen Tradition. Mit zwei unterschiedlichen Belegen aus dem Neuen Testament liessen sich sowohl Kreuzzüge als auch eine entschlossene Gewaltabstinenz begründen. Es sei allein Gott vorbehalten, über die Güte der religiösen Lebensführung eines Individuums zu richten.
Den Abschluss der Beschäftigung mit dem Thema «Toleranz und Menschenrechte – zur Universalität der Menschenrechte» bildeten als letzte Konsequenz die menschenrechtlichen Abwägungen zu «humanitären Einsätzen» – sprich: menschenrechtlich begründete militärische Waffengewalt gegen Gruppen (Staaten), die gewaltsam Menschenrechte verletzen (Kap. VII, UN Charta).
Keine allgemeingültige Antwort
Die Weiterbildung mit Prof. Dr. Dr. Dangl zeigte, dass allgemeingültige Antworten unmöglich sind. Es braucht sorgfältige Auseinandersetzungen mit den Themen und das Bewusstsein, dass ein und derselbe Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedliche Bilder abgibt und ebenso unterschiedliche Schlussfolgerungen legitim sind.
Text: Prof. Dr. Damian Miller, Dozent Pädagogik und Psychologie
Bildquelle: Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems